Der folgende Text erschien ursprünglich als Fortsetzungsgeschichte auf einer Facebookseite der Aktion "WDR2 für eine Stadt", die Herscheid im März 2014 unglücklich versemmelte. Weil ich nichts wegschmeißen kann, habe ich den text hier noch einmal zusammengefasst. Für spätere Generationen.
August 2034
Jetzt liegt es schon 20 Jahre zurück, dass Herscheid damals in der
Finalrunde zu WDR2 für eine Stadt ausschied. Bevor dann eine unvergleichliche
Erfolgsserie begann. Aus diesem Grund ist heute der ehemalige Bürgermeister
Schmalenbach hier bei „Wetten dass...“ zu Gast.
Markus Lanz: Herr Bundeskanzler Schmalenbach. Schön dass sie anlässlich des
Jubiläums heute zu uns kommen konnten.
Uwe Schmalenbach: Ja.
Markus Lanz: Erzählen sie uns doch mal, wie es damals kam, dass die damals
noch unbedeutende Ebbegemeinde ins Finale vorrücken konnte und seitdem JEDES
Jahr und immer wieder den WDR Tag ausrichten kann.
Uwe Schmalenbach: Ja gut, das war ja ganz einfach. Nach den enttäuschenden
Niederlagen der Jahre 2013 und 2014 musste etwas passieren. Ende März 2014 fiel
die Gemeinde in eine tiefe Depression. Die Niederlage kam unerwartet...
Schmalenbach zieht sein Taschentuch mit dem Bundeskanzlerwappen aus dem Armani
Zweireiher und schnäuzt sich geräuschvoll.
Danach gibt sich der Bundeskanzler und ehemalige Bürgermeister von Herscheid
wieder schmallippig. Nein, an die Ereignisse unmittelbar nach der bitteren
Niederlage mag er heute nicht mehr erinnert werden. Gut, die falsche Antwort
des Kompetenzteams auf die Frage nach der Dienstflagge von Nordrhein Westfalen
hatte das unerwartete Aus für die siegessicheren Ebbebewohner bedeutet. Für
viele fühlte sich dies so an, wie das plötzliche Ausscheiden der
Fußballnationalmannschaft während des Sommermärchens (2006). Viele verfielen
also in eine Depression, Einzelne jedoch neigten zu Kurzschlusshandlungen.
Unvergessen, wie ein frustrierter Bürger seine ferngesteuerte Kameradrohne
absichtlich in den Sendemast auf der Nordhelle steuerte... Menschen kamen zwar
nicht zu Schaden, aber den WDR konnte jedenfalls wochenlang keiner mehr in den
umliegenden Städten empfangen. Was sich ja später als Segen herausstellte.
Noch
drastischer jedoch war die Reaktion Schmalenbachs. Schon am nächsten Tag ließ
er das Internet in ganz Herscheid abschalten und auch die Bauarbeiten an der
Brücke zur Fürwigge, der fast einzigen Verbindung nach Meinerzhagen, ließ er
unmittelbar einstellen. Dabei waren nach einem Jahr Bauzeit gerade erste
hoffnungsvoll stimmende Ergebnisse sichtbar geworden. Nach und nach wurden auch
die Verbindungen nach Plettenberg, Werdohl und Lüdenscheid (dreispurig)
gekappt, so dass Herscheid schließlich so autark war, wie Berlin in den Zeiten
des kalten Krieges.
Doch wie wir heute ja wissen, sollte das für Herscheid und nicht zuletzt Bundeskanzler
Uwe Schmalenbach, genau der richtige Schritt gewesen sein.
"Herr Bundeskanzler?"
Bundeskanzler Schmalenbach wurde aus seinen Träumen gerissen. Er blickte in die
Dackelaugen von Markus Lanz und jetzt fiel ihm wieder ein, dass er ja bei
Wetten, dass... war.
"Ähm, ja? Wie war noch gleich die Frage?" Der Kanzler sortierte die 8 goldenen
Ringe an seinen Händen und schob sich die verspiegelte Ray Ban Sonnenbrille
zurecht.
"Wie war noch gleich die Frage, Herr Gottsch.. Herr Lanz?"
"Unsere Zuschauer möchten wissen, Herr Bundeskanzler, wie sie heute zu den
Geschehnissen aus dem Sommer 2014 stehen. Bereuen sie die ein oder andere
Entscheidung?"
Der Kanzler schüttelte sein weises Haupt. "Nein, wieso? Was denn? War doch alles
gut."
Markus Lanz klopfte sich seine Moderationskarten aufs Knie, schien sich aber
nicht recht zu trauen, auf Konfrontation mit dem mächtigsten Mann Europas und
Ehrenbürgermeister von Herscheid zu gehen. Doch dann begann Schmalenbach mit
einem Monolog.
„Die Menschen in Herscheid waren enttäuscht und aufgebracht. Und dann fiel
das Radioprogramm aus. Ich wusste, dass ich die Situation wieder unter
Kontrolle bringen musste. Also riegelten wir Herscheid zunächst von den
Nachbarstädten ab.“
„Warum?“
„Darum. Und weil ich schon grad dabei war, ließ ich Twitter, Facebook und
schließlich das ganze Internet abschalten. Der Erdogan hatte etwa zeitgleich
eine ähnliche Idee gehabt. Naja, und dann war es eigentlich der logische
Schritt, dass wir mittels eines Volksentscheides große Teile von Lüdenscheid
und auch Plettenberg Holthausen eingemeinden konnten. Dabei kam uns sicher
zugute, dass wir durch die WDR Aktion unsere Erfahrungen mit dem Sammeln von
Unterschriften hatten.“
Lanz: „Ist es richtig, dass sie die Unterschriften damals in China anfertigen
ließen?“
Doch Schmalenbach ließ sich nicht ablenken. „Die Wende kam sicher mit dem
Besuch von Putin und Berlusconi.“
„Putin und Berlusconi?“
„Ja“, fuhr Schmalenbach ärgerlich fort. Das waren damals recht bekannte
ausländische Politiker.
Es war ja nunmal auch 2014 grad so, dass dieser Putin sich auch in den
Schlagzeilen befand. weil er grad Ungarn, oder nee, Ukraine, so wissen schon.
Jedenfalls hatte der Putin von unserer Unterschriftensammlung, 40.000
Unterschriften von 7000 Einwohnern gehört. Das wollte er sich mal von mir
erklären lassen. Ich glaube für kommende Volksabstimmungen in der
Sowjetrepublik, wie sie heute ja wieder heißt.
Markus Lanz zog die Augenbrauen zusammen und versuchte seine Moderationskarten
in eine neue Reihenfolge zu bringen. Nur um etwas Kluges zu sagen, sagte er: "Ja
gut, das mit Putin hat ja scheinbar geklappt, sonst hätte er es ja kaum
geschafft alle ehemaligen Sowjetrepubliken wieder einzugemeinden. Plus Japan
und China."
Bundeskanzler Schmalenbach lächelte zufrieden. Ja, das stimmt wohl. Und das
alles dank unseres Stimmzettelsystems, das Premierminister Frank Holthaus
damals für die WDR2 Für eine Stadt Aktion erfolgreich entwickelt hatte..."
Lanz beugte sich leicht nach vorne. "Und das war LEGAL?"
Schmalenbach verzog einen Mundwinkel zu einem angedeuteten Lächeln. Also ich
kann nur sagen: Putin und ich hatten da keine weiteren Bedenken. Und Berlusconi
hat uns auch versichert, dass das schon soweit in Ordnung sein müsste."
Lanz blickte auf seine Moderationskarten, die hinten mit dem Wetten, dass...
Und dem WDR2 Logo bedruckt war. "Ja genau, Herr Bundeskanzler. Das wollte ich
auch grad fragen. Wie kam eigentlich Berlusconi ins Spiel?"
"Ja nun, ..." Schmalenbach zögerte kurz, fuhr dann aber fort. Berlusconi hatte
von Putin gehört, die beiden sind befreundet, jedenfalls hatte er gehört, dass
ich das Internet und alle Medien im Umkreis hatte abschalten lassen. Er kennt
sich ja etwas aus mit Medien.
Ich will das jetzt hier auch nicht zu lange ausführen, zumal ich gerade sehe,
dass der Regisseur der Sendung, das ist doch der Typ da hinten mit den grauen
Dreadlocks... Ich glaub, den kenn ich auch noch von früher, der zeigt
jedenfalls die ganze Zeit auf die Uhr."
Markus Lanz wirkte verwirrt....
„Ja gut Herr Bundeskanzler, die Zeit ist schon weit fortgeschritten und wir
haben ja noch einen Musikbeitrag und die Saalwette. Ich würde vorschlagen, sie
machen sich dann…“
Doch Bundeskanzler Schmalenbach war schon vom Talksofa in Richtung Bühne
geeilt. Der Aufnahmeleiter mit den (grauen) Dreadlocks hängte ihm eine
Elektrogitarre um und schon ging es los.
Die noch lebenden Mitglieder der Beatles und der Rolling Stones, die sich im
Rahmen des WDR2 Tags für eine Stadt im Jahre 2020 vereinigt hatten, spielten
ein Medley ihrer größten Welthits. Am Mikrofon natürlich, wie immer, das
Multitalent Schmalenbach.
Drei Minuten später saß er wieder neben Lanz auf dem Sofa. „Ich will sie ja
nicht langweilen Herr Lanz und außerdem ist die ganze Geschichte ja auch in
Band 5 und 6 meiner Autobiographie nachzulesen. Daher in Stichworten. 2016
Eingemeindung aller Städte des Märkischen Kreises in die Freigemeinde
Herscheid, 2018 friedliche Übernahme des Landes Nordrhein Westfalen. In diesem
Zuge wurde der WDR als einzige Sendeanstalt unter meiner Regie zugelassen. Das
wissen sie ja, Herr Lanz, sonst würde Wetten dass, … ja auch heute nicht im WDR
laufen.“
Schmalenbach rammte Lanz seinen spitzen Ellbogen in die Seite, woraufhin dieser
gequält lächelte. „Und sonst wäre ja auch nicht der Kameraoscarpreisträger von
2022, Martin Michaelis, hier in ihrer Sendung Aufnahmeleiter. Aber ich will
chronologisch bleiben. 2026 wurde schließlich die Fußballweltmeisterschaft und
zeitgleich die Olympischen Winterspiele in Herscheid durchgeführt, wo die
Deutsche Elf im Endspiel in der Feelgood Arena einen ungefährdeten 7:0 Sieg
gegen Brasilien einfuhr. Kapitän war damals Keke Block und in aller
Bescheidenheit darf ich darauf hinweisen, dass ich, Uwe Schmalenbach, als
Teamchef einen nicht unerheblichen Anteil an der ganzen Sache hatte. Oh, ich
sehe gerade, die Saalwette, da kommen 200 Herscheider mit Spiekus
Hirschgeweihen, die irgendwas zusammenschrauben wollen. Ich glaube ich muss da
mal etwas helfen. Oder hatten sie noch eine Frage, Herr Lanz?
Markus Lanz blickte auf seine Schuhe und blieb erstarrt auf dem Talksofa
sitzen. Das Licht über ihm ging aus und das Geschehen verlagerte sich wieder
auf die große Bühne. Er fühlte sich einsam und irgendwie nutzlos. Er schaute
auf seine Moderationskarten. Eine Frage hätte er noch gehabt. Auf der letzten
Karte stand sie formuliert. „Glauben sie im Nachhinein, dass die Niederlage im
Quiz am 26.März 2014 vielleicht letztlich doch etwas Gutes in Sich trug?“
Lanz zerriss die Karte und verließ das Fernsehstudio lautlos. Durch den
Hintereingang.
ENDE
Fortsetzung folgt bei WDR2 für eine Stadt, 2015 (in Herscheid)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen